Irmelin Küttner
Berlin, 16. April .2010
Kurzbericht von der Fachtagung
„Regionale Baukultur in Deutschland als Beitrag zur Erhaltung von Kulturlandschaften“
des Bundes Heimat und Umwelt (BHU)
am 24. bis 26. Februar 2010 in Muhr/Mittelfranken-Bayern
Veranstalter der Tagung in Muhr am See am 24.02.-26.02.2010 war der Bund Heimat und Umwelt in Deutschland in Zusammenwirken mit den BHU-Landesverbänden, dem Bayrischen Landesverein für Heimatpflege und dem Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Das Projekt „Regionale Baukultur in Deutschland“ wird durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gefördert. Organisation und Ausgestaltung der Veranstaltung erfolgten auf hohem Niveau in angenehmer Atmosphäre, was Frau Dr. Gotzmann (Geschäftsführer des BHU) und Team zu verdanken ist. Mitte 2010 wird eine Dokumentation von der Fachtagung veröffentlicht.
Teilnehmer waren Architekten, Mitarbeiter von Kommunen, Fachämtern und Verbänden, Denkmalpfleger und Akteure aus Deutschland, Österreich, Südtirol, der Niederlande und Schweiz, welche mit regionalen Baukulturen befasst sind und diese für die Bevölkerung erschließen und fortschreiben.
Das BHU Treffen zur Regionalen Baukultur fand im Altmühler Gemeinde-, Natur- und Fremdenverkehrszentrum in Muhr statt, einer Musteranlage ländlichen Bauens inmitten des 1971 bis 2001 neu geschaffenen mittelfränkischen Seenlandes, das auf einem Gesamtkonzept des Freistaates Bayern für Landschaft und Siedlung beruht.
Auf dem Gelände eines ehemaligen bäuerlichen Dreiseithofes mit erhaltenen Stallungen und Scheunen (u.a. ausgestattet mit Sandsteinfassaden und Kreuzrippengewölbe) aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde eine zukunftsorientierte Gebäudegruppe mit Bürgerhof und Freilichtbühne errichtet. Das dörfliche Ensemble aus der Verbindung von Alt- und Neubauten ist Ausdruck einer zeitgemäßen Architektursprache unter Berücksichtigung regionaltypischer Merkmale. Der „Informationsstützpunkt“ für die Altmühl-Jura- und Limesgemeinden beeindruckte die Tagungsteilnehmer und gehörte zum Programm, das sich mit der Sicherung und Erlebbarkeit regionaler Geschichte, Kultur und Natur sowie Wertschöpfung und Generationenvernetzung beschäftigte. Dem BHU ging es im Informationsblatt zur Tagung um die Klärung der Frage „inwieweit eine regionale Baukultur angestrebt werden kann und soll. Das Ziel einer regionalen Baukultur sollte nicht die historisierende Bauweise sein.“
Die Vorträge am 24. und 25. Februar konzentrierten sich auf Grundsatzfragen der Beheimatung, Akzeptanz und Wertevermittlung von historischer Bausubstanz; ihre städtebauliche Einbindung und Umsetzung für Bedürfnisse der Bevölkerung. Die sich im Laufe der Zeit verändernden Lebensweisen von Eigentümern und Nutzern historischer Gebäude aufgrund erhöhter Ansprüche an Energieeffizienz, Wohnkomfort und Architektur haben bereits zu großen Verlusten regionaltypischer Baukulturen geführt. Im Zeitalter der Globalisierung drohen weitere Gefahren der Nivellierung. Dem Prozess massenhafter stereotyper Neubautätigkeit ist zugunsten der noch vorhandenen Vielfalt baulichen Kulturerbes von den Verantwortlichen stärker Einhalt zu gebieten .
Die Stiftung ARCHICULTURA in der Schweiz mit Stiftungsrat Marcel Steiner und Mitstreitern hat Kriterien der Bewertung von Ortsbildern und Landschaftsräumen erarbeitet. Die Ortsbildqualitäten in den Kantonen von sehr gut bis sehr schlecht wurden als Landesübersicht 2002 in Postkartenform vervielfältigt und mahnend der Öffentlichkeit verfügbar gemacht. Im Blatt „Die Südostschweiz“ vom 31. Dezember 2007, S. 3, ist überraschenderweise nachzulesen, dass „große Teile der Schweiz baulich zu den hässlichsten Gebieten Europas“ zählen, darunter der Kanton St. Gallen „mit unansehnlichen, architektonisch chaotischen und charakterlosen Bauwüsten…“, welche „nicht mehr zum Verweilen einladen.“ Im Gegensatz dazu wurden für die Regionen Berner Oberland sowie für zahlreiche Seitentäler in den Alpen intakte Ortsbilder und Kernzonen festgestellt.
Im Ergebnis unterschiedlichster Betrachtungen und Meinungsbildung der Referenten und Diskutanten zu Baukulturen in Europa und darüber hinaus einigte man sich in einen noch zu formulierenden Leitfaden auf das Erfordernis, alte bzw. denkmalgeschützte Bausubstanz und Gegenwartsarchitektur harmonisch zu verknüpfen als Voraussetzung für die Bewahrung unverwechselbarer Regionen und Kulturlandschaften.
Die am 26. Februar durchgeführte Bus-Exkursion ins Altmühltal, Landkreis Eichstätt, unter der Leitung des freien Architekten Paulus Eckerle aus Titting machte uns mit der Hauslandschaft und dem fränkischen Haustyp (Natursteinmauerwerk unter steilem Legeschieferdach) bekannt. Die besichtigten Objekte der Instandsetzung, Umnutzung und Modernisierung von Altgebäuden überzeugten nicht immer. Jedoch beispielhaft die Wiederherstellung des Pfarrstadels von 1687 in Buxheim und seine Umgestaltung zu einem zeitgemäßen Pfarr- und Jugendheim oder das Jurahaus in Oberndorf, ein Bauernhaus im Kern aus dem 18. Jahrhundert, das durch Rekonstruktion und Neugestaltung veränderte Wohnansprüche erfüllt. Die Neubauten Flurkapelle in Pfahldorf, landwirtschaftliche Gerätehalle in Herlingshard und Metallbaubetrieb in Kinding-Haunsletten sind in ihrer Baukörperausbildung heimischen Bauformen entlehnt.
Paulus Eckerle bezieht im Baumeister-Sonderheft von April 1994 Position zum Regionalen Bauen heute: „Nicht Kopie, sondern als eigenständige Fortsetzung der Tradition angereichert mit modernen Elementen aus Stahlbeton, Stahl und Glas. Die bewusste Reduktion bei Gestaltung und Konstruktion bleibt als Stilmerkmal erhalten.“ Der Prämisse schlossen sich die meisten Tagungsteilnehmer an im Bewusstsein, dass die Eingliederung ortsbildprägender historischer Bauwerke und Neubauten in gewachsene Strukturen zur Stärkung der lokaltypischen Baukultur beiträgt und Dörfern wie Städten mit Umland Identität und Profil verleiht.