„Ein Schotte mit europäischem Kulturauftrag“
Angus Fowler (3. Mai 1946 – 10. Dezember 2017)
Für uns alle – seine Freunde, Kollegen und langjährigen Wegbegleiter – völlig unerwartet verstarb unser Gründungsmitglied und Ehrenvorsitzender Angus Fowler am 10. Dezember 2017 in Berlin.
Foto: ECOVAST (Angus Fowler 2007)
Als sich am 3. Mai 1990 (seinem 44. Geburtstag!) in den Räumen des Kulturbundes im damaligen Ost- Berlin etwa dreißig Enthusiasten zusammenfanden, um eine Interessenvertretung für die zahlreichen desolaten Kirchengebäude in Brandenburg zu gründen, war das in der untergehenden DDR eine recht spannende Angelegenheit. Vorangegangen waren der Gründung des Vereins zahlreiche Gespräche, die Angus Fowler mit Interessenten geführt hatte. Ohne ihn hätte es den Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg nicht gegeben.
Angus Fowler wurde am 3. Mai 1946 in Ongar, Grafschaft Essex, Großbritannien geboren. Obwohl sein Geburts- und auch sein späterer Wohnort in England lagen, fühlte er sich aufgrund seiner familiären Abstammung als stolzer Schotte. Von 1964 bis 1967 studierte er in Oxford Geschichte und spezialisierte sich auf die deutsche Geschichte des Mittelalters, angeregt durch seinen Onkel, den Germanisten Professor Duncan Mennie und beflügelt unter anderem durch seinen Lehrer Karl Leyser, einen Historiker, der als jüdischer Emigrant nach England gekommen war. Es folgten ein erster Studienaufenthalt in Marburg und ein Archivpraktikum in der Grafschaft Cheshire. 1972 kehrte Angus Fowler zu Forschungszwecken nach Marburg zurück; für eine leider nicht vollendete Dissertation beschäftigte er sich mit Untersuchungen zur hessischen Grafschaft Ziegenhain. Von diesem Zeitpunkt an bildete Marburg mit seiner Universität und vor allem mit dem Staatsarchiv den Mittelpunkt seiner Arbeit und seines Lebens. 1976 wurde Angus Fowler Vorstandsmitglied im Förderkreis Alte Kirchen Marburg, der sich drei Jahre zuvor als Reaktion auf den Abriss alter Fachwerkkirchen in Hessen auf Initiative des Franzosen Jean Chanel gegründet hatte.
Die Beschäftigung mit den alten Kirchen in Hessen brachte Angus Fowler dazu, sich mit dem baulichen und kulturellen Erbe im ländlichen Raum insgesamt zu beschäftigen, bald auch über die Grenzen Hessens und Deutschlands hinaus. Seit 1984 war er Vorstandsmitglied von Europa Nostra, dem wichtigsten Verband von denkmalpflegerisch engagierten Nichtregierungsorganisationen in Europa. Im selben Jahr gehörte er zu den Gründungsmitgliedern von ECOVAST (European Council for the Village and Small Town). Es können hier nicht einmal annähernd alle Vereine und Initiativen vor allem in Osteuropa aufgezählt werden, bei denen Angus Fowler Pate stand, in denen er Mitglied war und die er beriet und vernetzte. Vernetzung war überhaupt sein größtes Talent. Angus Fowler war ein Brückenbauer im besten Sinne des Wortes. Für jede Frage und jedes Problem kannte er wenn nicht die Antwort, so doch einen Ansprechpartner irgendwo in Europa.
Dem Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg blieb Angus Fowler von seiner Gründung an bis in die Gegenwart intensiv verbunden. 1998, als der Verein sich in einer Krise befand, übernahm er für acht Jahre den Vorsitz; später wurde er zum Ehrenvorsitzenden bestellt. Die Vorstandssitzungen des Förderkreises bereicherte er mit Berichten von seinen zahlreichen „Dienstreisen“ vor allem nach Osteuropa. 2011 gehörte er zu den Initiatoren des Europäischen Verbundes zur Bewahrung der Gottesdienststätten ein Uropa „Future für Religious Heritage“ (FRH), zu dessen Gründungsmitgliedern auch der Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg gehörte.
Angus Fowler war ein besonderer Mensch. Es gab keine Veranstaltung, an der er teilnahm, auf der er sich nicht zu Wort meldete und aus seinen reichhaltigen Erfahrungen berichtete. Oft fragten wir uns, ob er neben seinem Einsatz für die Rettung des europäischen Kulturerbes auch so etwas wie ein Privatleben habe. In seiner Jugend spielte er Orgel und sang in verschiedenen Chören. Die Musik war seine Leidenschaft und er bedauerte, dafür keine Zeit mehr zu haben.
Seit etlichen Jahren hatte Angus Fowler seinen Lebens- und Wirkungsmittelpunkt nach Berlin verlegt, ohne dem hessischen Marburg den Rücken zu kehren. Gerade hatte er ein geerbtes Haus in Newcastle upon Tyne in Nordengland verkauft, um mit dem Erlös seinen weiteren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Die Nachricht von seinem viel zu frühen Tod hat uns und viele seiner Mitstreiter in ganz Europa geschockt. Es ist schwer vorstellbar, dass es nicht mehr möglich ist, mal schnell zum Telefon zu greifen und zu fragen: „Angus, ich habe da eine Frage…“ Meistens wusste er eine Antwort.
Anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes I. Klasse im Oktober des Jahres 2000 sagte Angus Fowler in seiner Dankesrede: „Ich werde oft nach dem Sinn meiner Arbeit gefragt. Wenn wir wirklich ein lebendiges kulturell vereintes Europa anstreben, dann müssen wir enge Sichtweisen, wie sie heute wieder in mehreren Ländern der Fall sind …, in jedem Fall überwinden, um so zuversichtlich in die Zukunft schauen zu können.“ Für das 2018 bevorstehende Jahr des europäischen Kulturerbes könnte dieser Satz ein heute noch gültiges Motto abgeben!
Wir werden Angus Fowler – vor allem auch durch unsere weitere Arbeit für den Erhalt der alten Kirchen in Berlin und Brandenburg – ein ehrendes Andenken bewahren!
Bernd Janowski für den Vorstand und die Mitarbeiter des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V. im Dezember 2017
http://www.altekirchen.de
Der Vorstand der deutschen Sektion von ECOVAST e.V. dankt Herrn Bernd Janowski für die freundlichen Worte und die Möglichkeit der Veröffentlichung. Unserem Gründungsmitglied Angus Fowler werden wir ebenfalls immer ein ehrendes Andenken bewahren.
Im Namen von ECOVAST e.V.
Ivar Henckel
Ein weiterer Nachruf (PDF) ist in den Mitteilungen des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 1834 e.V., Nr. 59, 2018, S. 25-27 erschienen.